Samstag, 22. Dezember 2012

.. und dann weihnachtet es wieder

Das Jahr ist um, die besinnliche Jahreszeit hat angefangen.

Allerdings weihnachtet es mittlerweile bereits schon ab September, denn wer um die Zeit aus dem Sommerurlaub kommt, findet im Supermarkt bereits alle Weihnachtsgebäck- und Süßigkeitenvariationen. Und während ich schnaubend an den Regalen vorbeigehe, finden sich etliche hocherfreute Gesichter vor dem Zuckerzeug und stopfen den Einkaufswagen voll mit all den Leckereien, die ohnehin nach ein paar Sekunden draußen in der Sommerhitze anfangen zu schmilzen. Aber Weihnachten ist nun auch wieder bereits 8 Monate vorüber und außerdem muss man ja probieren, welche Gaumenfreuden die Süßwarenhersteller dieses Jahr wieder zum Besten geben und vorsorglich hamstern, denn ab Dezember kaufen schließlich alle, und nachher gibt es nicht mehr genug Spekulatius oder Dominosteinchen.

Während die meisten Menschen bereits im November der Weihnachtsschnuckereien über sind, beginnt meine Vorfreude auf den Dezember, denn dann kaufe ich die "kläglichen Überreste". Genau genommen sind die Regale genau so voll wie vorher und genau genommen noch voller, denn 50 % der einkaufswütigen Vorweihnachtsmenschen haben sich ja für ein Jahr bereits eingedeckt und ich kann zuschlagen.

Fast gleichzeitig beginnt endlich die ruhige und besinnliche Zeit der Weihnachtsmärkte, die mittlerweile auch nicht mehr erst im Dezember, sondern schon Mitte November beginnt, denn offensichtlich ist die Nachfrage groß. Welch Überraschung.

Und so freue ich mich samstags auf einen idyllischen Weihnachtsmarktbesuch mit kulinarischen Köstlichkeiten und heißem Glühwein, nur noch schnell ein freies Parkhaus finden und schon findet man sich nach 1 1/2 Stunden Parkplatzsuche in einem Menschenauflauf wieder, der seinesgleichen sucht. Während ich mühselig versuche, den Glühweinstand meiner Wahl zu erreichen, pieksen Regenschirm-Spitzen friedvoll in mein Gesicht, und nach nur 3 Ellbogen-Checks, 4 Tritten auf den Fuß und einer Kinderwagenstolperfalle erreiche ich glücklich die Theke, an der keiner der 6 Mitarbeiter die Zeit findet, meine Glühweinbestellung entgegen zu nehmen. Ich warte, denn schließlich hat die besinnliche Vorweihnachtszeit begonnen, man soll niemanden hetzen. Eine halbe Stunde später ergattere ich meinen gut abgekühlten Glühwein, den ich mit kunstvoller Balance durch die Menge manövriere. Matrix-Ähnlich bewege ich mich mit meinem Oberkörper an den Regenschirmspitzen vorbei und erreiche letztlich mit einem erfolgreichen Viertel kaltem Glühwein einen verklebten und vermüllten Tisch. Oh du wundervolle Weihnachtszeit.

Nun noch einen Happen essen, um den Abend abzurunden. Während der Stand mit dem Stockbrot belagert wird, als würde ein Justin-Bieber-Konzert stattfinden, frage ich mich, warum Menschen um ein Stück Brot an einem Stock überhaupt ein solches Gezeter veranstalten. Es ist nicht sättigend, enthält kein Fleisch, ist teuer und enthält nichts, was es mir erleichtern würde, den trockenen Bissen herunterzuspülen. Das erste und letzte Mal, als ich vier Empfehlungen folgte, Stockbrot zu probieren, verreckte ich fast nach einem herzhaften Biss in den staubtrockenen Teig, der sich einfach nicht herunterschlucken ließ. 
Der überfüllte Glühweinstand war nur 2 Meter entfernt, allerdings mangelte es mir an Luft und Konzentration, um schnell eine Tasse zum Runterspülen zu kaufen.

Ich schiebe mich vor zum Bratwurststand, auch dort warte ich mit knurrendem Magen eine halbe Stunde, bis ich zufrieden meine knusprig-kalte Bratwurst in den Händen halte. Verzweifelt versuche ich, eine Stelle zu finden, an der ich in Ruhe und Abgeschiedenheit essen kann. Vergebens. 
Ich gehe Richtung Parkhaus und verschlinge innerhalb kürzester Zeit meine Bratwurst, aus Angst, ein hungeriger Wartender beißt aus Verzweiflung in mein Essen. 
Trotz aller Strapazen höre ich mich nächsten Tag wieder sagen "Ach, was für ein wundervoller Weihnachtsmarkt, welch besinnlicher Abend!" 

Und dann, während man noch in aller Ruhe überlegt, die Weihnachtsgeschenke früher zu kaufen, die Weihnachtsplanung zu erstellen und welchen Weihnachtsmarkt man am besten an welchem Tag abklappert, ist auch schon der 22. Dezember. Heilig Abend kommt wieder ganz plötzlich. Das weihnachtliche Geschenkpapier ist ausgegangen - im besten Fall am vergangenen Weihnachtsfest, im schlechtesten Fall musste ein Bekannter, der im Sommer Geburtstag hat, darunter leiden, dass man wieder vergessen hat, Geburtstags-Geschenkpapier zu besorgen.

Und doch ist es irgendwann soweit: man sitzt mit seinen Lieben in der Runde und freut sich über das gute Essen und die Geschenke. Man genießt die Tage des Festes - aus welchen Gründen und wie man es auch immer feiert.
Gut, manchmal schaut der Eine mürrisch drein, dem Nächsten schmeckt das Essen nicht und wieder Einer hat wieder ein Geschenk verbaselt. Im besten Fall aber nichts, über das man nicht spätestens eine Woche danach lachen kann.

Und so warte ich gespannt, was dieses Jahr Weihnachten wieder für Überraschungen bereit hält.

In diesem Sinne wünsche ich allen ein fröhliches, stressfreies und friedliches Weihnachtsfest im Kreise seiner Lieben und einen guten Start ins neue Jahr mit Erfolg und Gesundheit und ich freue mich auf ein neues, blogpostreiches Jahr 2013.

Samstag, 1. Dezember 2012

Die kleinen Vergesslichkeiten

Niemand kann sich alles merken. Der Eine hat eher eine Schwäche bei Zahlen, der Nächste bei Automarken, wieder ein Anderer vergisst Geburtstage und noch Einer vergisst in der Alltagshektik Kleinigkeiten, in dem er z. B. in Hausschuhen die Wohnung verlässt.
Ich vergesse nicht nur Namen, sondern auch Gesichter. Also gleich die ganze Person. Ich plädiere im Alltag immer wieder für Namensschildchen, dennoch müsste ich es eigentlich besser wissen. Das blöde Schildchen würde mir nicht helfen, denn das Gesicht hätte ich ohnehin noch nie gesehen, dessen bin ich mir sicher.

Nun hat das Gehirn meistens ja nur einen Bruchteil, um sich in dem Moment des Kennenlernes gleich das Aussehen aufgrund bestimmter Merkmale sowie den kurz eingeworfenen Namen einzuprägen. Offensichtlich klappen meine Synapsen in dem Moment zusammen und mein Gehirn pfeift ein hohes C, denn sobald sich der neu vorgestellte Mensch umdreht, ist er auch schon aus meinem Gedächtnis verschwunden.
Wenn wir uns ein paar Tage später wieder begegnen, stelle ich mich höflich erneut vor. Sein verwunderter Blick verrät mir... wir kennen uns schon. Schnell lächeln, entschuldigen, weiterreden. Daraus ergibt sich das Problem. Ich weiß immer noch nicht, wie er heißt, der neue Mensch. Ich weiß, dass ich ihn nun zumindest erkenne, aber nicht anreden kann. Unglücklicherweise verschluckt das Gespräch den Zeitpunkt, in dem ich - mit schuldiger Miene - nach seinem Name hätte fragen können. Und dann kennt man sich schon fast zu gut, um nach dem Namen zu fragen. In sämtlichen Situationen versuche ich, Blicke auf persönliche Dinge zu erhaschen, auf denen der Name stehen könnte. Vergebens.

Nach einer Weile bekommt er einen Phantasie-Namen, der zu demjenigen am besten passt. Das ist kein Witz, ein humorvoller Bekannter hat einen Phantasie-Namen, mit dem ich ihn anreden kann, falls mir kurzfristig wieder einmal sein Name entfällt.

Tipps besagen, man soll direkt nach der Vorstellung den Namen wiederholen. In etwa: "Es freut mich, dich/Sie kennen zu lernen, (Herr) X!"
Auch das habe ich versucht, denn ich möchte mich ja gern an den Namen erinnern. Es kann nie schaden, den Namen des neuen Freundes oder Feindes im Kopf zu haben. Zu meinem Bedauern bin ich in der Situation des Kennenlernens damit überfordert zuzuhören, da ich meistens damit beschäftigt bin, meine Vorstellung vorzubereiten und möglichst freundlich rüber zu bringen, wie ich in meinem Text über selbige ja bereits geschrieben habe. So kriege ich nur einen Bruchteil mit und spreche den Namen entweder dreimal falsch aus oder komme nur zum Anfangsbuchstaben und schon gerät alles aus den Fugen. Der freundliche erste Eindruck ist dahin.

Um mich vor solchen Situation zu schützen, grüße ich nun mein Umfeld freundlich, sofern mich jemand länger als eine Sekunde anschaut. Auch das hat verwirrte Blicke zur Folge und ich bin mir sicher, dass der eben von mir Gegrüßte drei Tage überlegt, wer ich bin und warum ich so höflich gegrüßt habe. Wer von mir also grundlos gegrüßt wird: es handelt sich hier um reinen Selbstschutz.

Gesichter sind für mich Schall und Rauch. Ich sehe viele davon und dann verschwinden sie hinter den Horizont meines Kurzzeitgedächtnisses. Auch wenn ich jemanden viermal gesehen habe, heißt das nicht, dass ich ihn auf offener Straße wiedererkenne. Der Jemand mich offensichtlich schon. Und ganz offensichtlich haben wir uns öfter gesehen, denn er kommt auf mich zu. Mein Puls rast. Er wird doch wohl nicht?! Doch, er wird. Und schon geht der Mund auf, heraus kommt eine herzliche Begrüßung, die Nachfrage, wie es mir geht und was die Arbeit macht. Mit der größten Mühe, meine Verwunderung zu unterdrücken, antworte ich gewissenhaft auf alle Fragen, erkundige mich ebenfalls nach dem Wohlbefinden. Die Fragen werden detaillierter, er weiß eine Menge über mein Privatleben. Ich stocke, überlege zwanghaft, wer er ist, was er macht, woher wir uns kennen. Das zerstört das ganze Gespräch, denn es macht mich gerade wahnsinnig, nicht zu wissen, woher ich mein Gegenüber kennen sollte. Mein Gesprächspartner murmelt etwas von "keine Zeit mehr" und geht. Es kostet mich drei schlaflose Nächte, in denen ich alle Szenarien durchspiele, wo er arbeiten könnte, woher ich ihn kennen könnte. Ich würde mir gerne vornehmen, ihn beim nächsten Mal mit einem entschuldigenden Blick nach dem Namen zu fragen, doch mir ist bewusst, wie albern die Situation sein muss. Schließlich scheinen wir uns ja besser zu kennen oder zumindest oft genug gesehen zu haben, um einiges übereinander zu wissen.

Im besten Fall fällt mir nach einer Woche in völliger Alltagshektik in dem Bruchteil einer Sekunde ein, wer er war. Doch schon schiebt eine neu aufgenommene Information die Identität desjenigen wieder weg und mein Geistesblitz erlischt.

Aber nachts, wenn ich Zeit zum Grübeln habe, stelle ich mir vor, wie er mir seinen Namen verrät und dieser - wie in einem Sci-Fi-Film - in Neonschrift in mein Blickfeld gebrannt ist. Beim nächsten Treffen erscheint ein Fadenkreuz auf dem Gesicht der "Zielperson", mit Namen, Arbeitsplatz, Familienstand und sonstigen wichtigen Daten.

Ich schlafe lächelnd ein und hoffe, dass es bald eine App für sowas gibt.